Die Geschichte einer Diva im Teich
Die abgebildeten Blüten von Nymphaea ‘Director George T. Moore’ sind jedes Jahr im Mai im Botanischen Garten Bonn zu bewundern
Manchmal trägt Nepotismus die schönsten Früchte: Die tropische Seerose ‘Director George T. Moore’ ist mehr als eine Blüte – sie ist ein Stück Gartengeschichte, das Wissenschaft, Schönheit und leise Ironie verbindet.
Es gibt Blüten, die wirken nicht nur wie Natur, sondern wie Inszenierung. Sie betreten die Bühne, als hätten sie den Vorhang selbst gelüftet – so erlebe ich die tropische Seerose Nymphaea ‘Director George T. Moore’. Wenn ich sie betrachte, ist es, als fiele ein Scheinwerfer auf einen violetten Stern, der sich für wenige Stunden öffnet und dann, ganz Diva, wieder zurückzieht.
Die Geschichte dieser Pflanze beginnt nicht irgendwo in einem verwunschenen See, sondern im Missouri Botanical Garden, USA. Dort lebte einst eine Art „Traumpaar“ der Gartenwelt: George H. Pring, ein begnadeter Seerosenzüchter, und sein Chef, George Thomas Moore. Moore, eigentlich Algenforscher, war von 1912 bis 1953 Direktor des Gartens – eine Ära, in der Orchideen und Seerosen nicht nur gesammelt, sondern regelrecht inszeniert wurden. 1941 schuf Pring eine neue Hybride, eine Kreuzung aus der Sorte ‘Judge Hitchcock’ und der Art Nymphaea colorata. Und er gab ihr den Namen seines Direktors: ‘Director George T. Moore’. Ein Stück Gartenpolitik in Blütenform – doch eine, die wahrhaft gute Früchte trug.
Denn diese Seerose ist mehr als nur ein botanisches Experiment. Sie gilt als eine der intensivsten violetten Blüten, die je gezüchtet wurden. Jeder, der sie einmal gesehen hat, versteht sofort, warum sie zum Klassiker wurde: sternförmig, duftend, manchmal fast blau im Licht, manchmal tiefviolett wie Samt. Die Blüten messen bis zu 25 Zentimeter im Durchmesser und erscheinen majestätisch auf dem Wasser. Doch ihre Herrschaft ist kurz: Jede einzelne öffnet sich für drei, maximal vier Tage, und verabschiedet sich dann. Dieses Ritual wiederholt sich Tag für Tag – ein Zyklus aus Hingabe und Rückzug, wie das Atmen der Pflanze selbst.
Auch das Laub erzählt eine eigene Geschichte: grün, gesprenkelt mit Purpur, die Unterseiten tief dunkelrot. Im Wasserbecken wirken die Blätter wie ein Teppich, der die Bühne für die Blüten auslegt. Keine Pflanze für kleine Becken: sie breitet sich bis zu zwei Meter aus, ohne jedoch „vivipar“ zu sein – das heißt, sie bildet keine kleinen Ableger direkt auf den Blättern. Sie fordert ihren Raum, und sie nimmt ihn sich mit Grandezza.
Dass diese Hybride nach einem Direktor benannt ist, wirkt fast wie Ironie. Moore forschte an winzigen Algenzellen, und sein Name bleibt in einer Blume lebendig, die im gleißenden Sonnenlicht ganze Wasserflächen verwandelt. Doch vielleicht ist es genau das, was den Zauber ausmacht: die Verbindung von Wissenschaft und Sinnlichkeit, von nüchterner Forschung und verschwenderischer Schönheit.
Für mich, die ich oft mit meinem Motorroller unterwegs bin und an botanischen Gärten, Teichen und Parks Halt mache, ist diese Seerose ein Symbol. Sie erzählt, dass Wissenschaft nicht kalt sein muss, dass in einem Labor ebenso viel Poesie verborgen liegt wie auf einem stillen Teich. Und sie zeigt, dass Anerkennung manchmal in Form von Blüten geschieht – nicht in Form von Statuen oder Gebäuden, sondern als lebendige, duftende Widmung.
‘Director George T. Moore’ hat längst Nachkommen gezeugt: andere Hybriden wie ‘Wiboonlak’ tragen ein Stück ihrer DNA weiter. Doch am schönsten ist für mich, sie selbst zu sehen. Die Blüten öffnen sich früh am Morgen, wenn die Luft noch still ist. Sie schließen sich am Abend, als wollten sie sagen: „Genug für heute, wir sehen uns morgen wieder.“ Ein Schauspiel, das sich nicht aufschieben lässt, das man erleben muss, wenn es geschieht.
Manchmal, wenn ich vor ihr stehe, denke ich: Diese Pflanze ist ein Sinnbild dafür, wie wir Frauen oft leben. Mit all unserer Kraft, Schönheit und Präsenz treten wir hervor, um dann wieder Rückzug zu brauchen. Wir sind keine Dauerblüher. Wir brauchen den Rhythmus, das Aufgehen und das Innehalten. Genau darin liegt die Magie.
So hat ein Algenforscher, der wohl kaum von violetten Sternblüten träumte, seinen Namen einer Pflanze geschenkt, die Menschen noch heute verzaubert. Für mich ist sie ein Sinnbild dafür, dass Schönheit nicht immer dort entsteht, wo man sie erwartet. Und dass manchmal sogar Bürokratie – oder, nennen wir es sanft: Gartenpolitik – die prächtigsten Blüten tragen kann.